Aufbrechen, die Welt erkunden, frei sein… All das stellt man sich in seiner Jugend vor, wenn man an seinen Auszug aus dem behüteten Elternhaus denk. Tja, leider ist das “abnabeln“ gar nicht so einfach. Wie ich meinen Auszug mit 17 Jahren erlebte und wie ich viele Umwege gehen musste, um meine Ziele zu erreichen, darum soll es in diesem Blogbeitrag gehen. Viel Spaß 🙂
Wie alles begann
Ich glaube, ich muss ziemlich weit ausholen, damit der Zusammenhang verständlich ist. In der 4. Klasse geschahen in unserer Familie viele Dinge, die mich vom täglichen Schulwahnsinn ablenkten. Meine Eltern trennten sich, wir zogen um und ich musste die Schule wechseln. Einen neuen Stiefpapa bekam ich auch. Alles innerhalb von einem Monat.
Das hat mich ganz schön aus der Bahn geworfen und zeigte sich in schlechten Noten wieder. Ich, als damalige beste Schülerin der 3. Klasse, bekam am Ende der 4. Klasse eine Empfehlung für die Hauptschule. Toll, ich und Hauptschule. Das wollte ich überhaupt nicht. Ich kämpfte mich durch, war irgendwann wieder Klassenbeste und absolvierte schließlich meine Werkrealschule.
Die Zeit war nicht einfach. An der Trennung meiner Eltern hatte ich ganz schön zu knabbern. Ich zog mich zurück und igelte mich. Ich geriet an falsche Freunde. Zum Glück merkte ich es aber rechtzeitig und distanzierte mich. Dann ging das Mobbing in der Schule los. Aber das ist wieder eine andere Geschichte.
Mit 16 große Schwester werden
Nach meinem erfolgreichen Abschluss bewarb ich mich auf einem weiterführenden Gymnasium für Sozialwesen in der Nähe von Stuttgart. Genau zu diesem Zeitraum wurde ich eine große Schwester, Laurenz wurde geboren. Ich habe mit meiner Mutter mitgefiebert und geholfen, wo ich nur konnte. Unsere Familie musste sich neu sortieren. Ein kleines Baby bedeutet viel Arbeit. Manchmal fühlte ich mich sogar selbst als Mutter mit meinen zarten 16 Jahren. Ich übernahm viele Dinge im Haushalt und meine Mutter spannte mich als “Große“ ordentlich ein.
Zu diesem Zeitpunkt steckte ich im ersten Jahr meines Abiturs. Ich musste unglaublich viel lernen und fühlte mich immer mehr überfordert. Ich verausgabte mich mit dem Lernen bis an meine äußerste Grenze und versuchte all das Aufzuholen, was ich in der Werkrealschule nicht gelernt hatte.
Körperlich ging es mir zu dieser Zeit richtig schlecht. Ich war ausgebrannt, müde und Nahe am Burnout. Und das als Schüler! Das muss man sich einmal vorstellen.
Wollte ich das wirklich? Büffeln bis zum Umfallen, nur damit ich das Abi habe? Ist das mein Weg? All solche Gedanken breiteten sich in mir aus.
Als ich mal wieder meine Ferien bei meiner Oma in Sachsen verbrachte, sah ich beim Stadtbummel durch Bautzen ein weiterführendes Gymnasium. Irgendetwas regte sich in mir. Ich sprach mit meiner Mutter und sie erzählte mir, dass sie in genau der gleichen Schule ihr Ausbildung gemacht hatte. Zufall oder Bestimmung? Mutti ermutigte mich eine Bewerbung an eben diese Fachhochschule für Sozialwesen zu schreiben. Die Anmeldefrist war auch noch nicht abgelaufen. Und Bingo! Ich und wurde angenommen.
Wir besprachen das ganze noch mit der Oma. Die sich freute, nicht mehr ganz allein in dem großen Haus zu wohnen. Im Obergeschoss stand noch die kleine Wohnung leer, in der ich als Baby schon mit meiner Mutti gewohnt hatte.
Hör auf dein Bauchgefühl!
Ich bin ein Mensch, der jede kleine Entscheidung abwägt. Ich grübel und stelle Pro und kontra Listen auf. Aber zum ersten Mal in meinem Leben hörte ich auf mein Bauchgefühl. So wie es meine Mutter mir immer wieder sagte: “Wenn dein Bauchgefühl sagt, tue es, dann mach es!“
Innerhalb von 3 Monaten kümmerten wir uns um alle bürokratischen Sachen und beantragten ein Schüler-Bafög. Wir organisierten alles und der Zeitpunkt des Umzugs rückte immer näher. Ich voller Freude auf meine neue Selbständigkeit, machte mir keine Sorgen, denn alles fühlte sich so richtig an.
Dann kam der große Tag, mit einem vollgepackten Transporter fuhren wir 600 km zu meinem neuen Zuhause. Auch zu diesem Zeitpunkt war ich voller Euphorie und Neugierde, keine Spur von Sorge. Wir richteten die Zimmer her, kauften noch ein paar Möbel und dann hieß es Abschied nehmen. Meine Eltern und Laurenz fuhren zurück nach Stuttgart. Ich war jetzt auf mich gestellt.
Wenn die Zweifel kommen
Dann kamen die Zweifel. Es fühlte sich an, als hätte ich einen wichtigen Teil meines Lebens verloren. Die Bindung zu meiner Mutter ist unglaublich stark, wir begegnen uns auf einer Augenhöhe. Ich weiß, dass ich bei ihr immer Verständnis und Rückhalt erfahre, egal was ist. Im Gegenzug vertraute sie mir und respektiert all meine Entscheidungen. Und genau das war jetzt weg. Ich sage euch, diese Zeit war unglaublich schwierig. Ich vermisste, ich weinte, ich zweifelte. Ein halbes Jahr ging das so. Ich hatte so große Angst, dass unsere Mutter-Tochter-Beziehung unter meinem Auszug leidet.
Meine Mutter begleitete mich in dieser Zeit ganz intensiv. Wir telefonierten mindestens 3 bis 4 mal am Tag und schrieben Nachrichten hin und her. Jede Kleinigkeit musste ich ihr mitteilen. Sie war immer präsent in meinem Leben, trotz der weiten Entfernung. Das hat geholfen. Dafür bin ich ihr noch heute sehr dankbar.
Wenn ich jetzt die letzten 8 Jahre Revue passieren lasse, dann stellt sich ein Gefühl der Sicherheit ein. Ich habe den Schritt gewagt und meinen Lebensweg gefunden. Ich habe die Liebe meines Lebens durch einen total ulkigen Zufall kennengelernt und mit diesem Mann ein Grundstein für unser Leben gelegt. Es hatte alles seine Richtigkeit.
Und was ich daraus gelernt habe? Umwege im Leben sind okay, sie helfen dir deinen Weg zu finden und stärken dich. Aber vergiss niemals, wo deine Wurzeln sind.
Stacy
Toller Beitrag! Glückwunsch an die Mutter, die ihrer Tochter wahrhaftig Flügel gegeben hat.
Glückwunsch an die Tochter, die stolz auf ihren Mut und ihre Tatkraft sein kann.
Meine Hochachtung Euch beiden!
Liebe Grüße aus Hannover
Monika
So schöne Worte Stacy . Hat mir echt zwei drei Tränen in die Augen getrieben. Schön dass ihr euch habt 🥰ganz nah und doch weit weg. Ich hab selbst eine 20 jährige Tochter 😉wir leben noch zusammen aber ich hoffe ich mach das so wie Kerstin ich geb ihr Flügel, aber sie weiß auch wo ihre Wurzeln sind . Bei meinem Sohn 15 🙉tu ich mir da schwerer aber das wird auf Kerstin auch noch zukommen 😂bei Jungs ist das anders 🙄🤪
Liebe Grüße
Nicole
Liebe Nicole, ja, das steht uns auch noch bevor. Ich glaube, bei Jungs ist es wieder ganz anders. Wir lassen uns mal überraschen. Lg Kerstin