Homeschooling, Workouts und der Versuch zu erklären, was gerade in mir vorgeht Coronadiary #3

Homeschooling, Workouts und der Versuch zu erklären, was gerade in mir vorgeht Coronadiary #3

Eigentlich wollte ich schon gestern ein paar Zeilen schreiben. Genau genommen schon vorgestern aber irgendwie fühle ich mich gerade unfähig, auch nur einen klaren Gedanken zu fassen.

Ich habe das Gefühl, ich hänge in einem Albtraum eines amerikanischen Endzeit-Thrillers fest und warte auf den Augenblick, indem mein Mann mich weckt und mir sagt: „Schatz, aufwachen! Du hast nur schlecht geträumt!“

Aber leider ist dieser „Albtraum“ gerade die Wirklichkeit. Er nennt sich Corona und sorgt gerade dafür, das die Welt, wie wir sie kennen, aus den Fugen gerät. Mein Verstand kann es noch gar nicht richtig fassen, was hier gerade abgeht. Ich schwanke zwischen, „alles wird gut“ und „oh Gott, wir werden alle sterben!“

Ich versuche mich so weit es geht, von den Nachrichten, Live-Tickern und News abzuschotten. Was trotzdem noch durchdringt, reicht um mir starke Übelkeit zu verursachen. Familie und Freunde schicken die neuesten Nachrichten und mein Mann informiert mich brühwarm über den aktuellen Stand der Dinge.

Dabei will ich eigentlich nichts mehr hören. Ich will im Bett liegen, mir die Decke über den Kopf ziehen und erst wieder rauskommen, wenn alles vorbei ist.

Ich bin eigentlich Krisen-erprobt

Eigentlich bin ich ja den Umgang mit Krisen gewöhnt. Zum einen, weil ich in der DDR aufgewachsen bin, da waren die Regale auch oft leer. Für manche Dinge mussten wir ewig anstehen. Nun gut, es war jetzt nicht das Klopapier, es waren andere Sachen, aber es war damals so. Genauso mit dem Reisen und den geschlossenen Grenzen, ist es jetzt ähnlich, wie zu DDR-Zeiten. Auch meine Zeit im Frauenhaus, die finanziellen Sorgen und Probleme haben mich nie gänzlich aus der Bahn geworfen.

Was mir aber hauptsächlich Angst macht, ist diese Ungewissheit, diese unbekannte Bedrohung. Ich versuche, unseren Alltag so normal wie es nur möglich ist, zu gestalten, um auch den Kindern eine Konstante zu bieten.

Alltag und Routine

Wir schlafen etwas länger als sonst und entschleunigen unsere Morgenroutine. Weil ich momentan nicht zum Sport kann, turne ich meine Übungen über die App meines Studios nach. Danach frühstücken wir gemeinsam und versuchen anschließend, das Homeschooling gut es geht, in den Tag einzubauen. Momentan haben wir ein paar Startschwierigkeiten, aber ich denke, in den nächsten Tagen wird sich das auch einspielen.

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Die Kids sitzen an diesen Tagen etwas mehr an ihren elektronischen Geräten, als sonst. Es wird uns niemand übel nehmen, es ist halt nun mal gerade so, denn ich brauche zwischen Wäsche waschen, Essen machen, Staub saugen, Aufgaben beaufsichtigen, Sorgen machen auch mal ein paar Minuten Auszeit.

Mittags gehen wir alle zusammen mit dem Hund raus. Das ist Pflicht! Wir haben den Wald genau vor der Tür und suchen uns Wege, auf denen niemand unterwegs ist. Nachmittags spielen wir zusammen, drehen Videos oder backen Kuchen.

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Wir whatsappen mit der einen Oma und sagen ihr, dass sie gut auf sich aufpassen soll. Die andere Oma wurde gestern ins Krankenhaus eingeliefert, weil es ihr nicht gut ging. Hoher Blutdruck und Schwindel sagt der Arzt, mehr wissen wir momentan nicht. Im Krankenhaus herrscht Besuchsverbot.

Mit Stacy telefoniere ich auch hin und wieder, erzähle ihr, wie unsere Kooperationen eine nach der anderen wegbrechen. Sie ist froh über ihre Berufswahl als Krankenschwester, sagt sie, der krisensicherste Job überhaupt.

Abends hole ich meinen Mann von der S-Bahn ab. Manchmal zu Fuß, mit Max, manchmal mit dem Auto. Kein Bussi, keine Umarmung, kein Händedruck bis wir zu Hause sind und er sich gründlich die Hände gewaschen hat.

Wir essen zusammen Abendbrot, reden lange über das, was den Tag über alles passiert ist. Wir sprechen mit den Kindern und versuchen, all das zu erklären, was uns derzeit bewegt und versuchen, uns die Angst und Sorgen nicht allzu sehr anmerken zu lassen. Aber machen wir uns nichts vor, Kinder haben sehr feine Antennen und spüren, wenn etwas nicht in Ordnung ist. Dann suchen sie unsere Nähe, sind lieb und anhänglich.

Kinder spüren alles

So wie heute Abend, als beide Jungs wollten, dass ich mit ihnen kuschel, ganz lange, ganz intensiv. Ich habe mich zu ihnen ins Bett gelegt, sie gestreichelt und gemerkt, wie mir die Tränen unaufhörlich liefen. „ICH LIEBE EUCH SO SEHR!“, habe ich die ganze Zeit gedacht und manchmal schimpfe ich so viel. Und jetzt will ich eigentlich nur, dass wir irgendwie aus diesem Scheiß Albtraum wieder rauskommen. Wir als Familie, das Land und die ganze Welt.

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Jetzt sitze ich hier in meinem Arbeitszimmer, mit einem Glas Wein und ein paar Kerzen. Ich schreibe und merke, je mehr ich von all dem Rauslasse, was mich belastet, um so besser geht es mir. Mein Mann hat noch die Küche aufgeräumt, geduscht und kommt mir gute Nacht wünschen. Sein Wecker klingelt um halb 4. Mal sehen, wie lange er noch zur Arbeit gehen kann. Sein Chef hat Kurzarbeit angekündigt. Er umarmt mich und wischt mir die Tränen weg. „Es wird alles gut, Schatz“, sagt er. Wird es das? Ich weiß es nicht. Niemand weiß das.

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Ich weiß nur, dass ich morgen wieder aufstehen werde, meinen Morgensport mache und mit den Jungs frühstücke. Wir werden lernen und spazieren gehen, ein bisschen aufräumen und zusammen spielen. Ich werde mich freuen, dass die Sonne scheint und meinen Kaffee auf der Terrasse trinken.

Ich werde die Augen schließen, tief einatmen und tief ausatmen und mir sagen: „Heute ist ein schöner Tag und morgen wird auch ein schöner Tag.“

Wir schaffen das und wir werden als Familie vielleicht noch ein kleines Stück mehr zusammenrücken. Und wer weiß, wenn wir in fünf oder zehn Jahren wieder mit dem Wohnmobil in der Toskana sitzen oder am Atlantik, dann werden wir darüber reden. Über die Corona-Zeit und was sie alles verändert hat.

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Wer weiß, wozu es gut ist …

Wie diese gezwungene Auszeit die Menschen hat zusammenrücken lassen.

Wie die Natur sich in dieser Zeit erholt hat, in der weniger Autos, Flugzeuge und Kreuzfahrtschiffe unterwegs waren.

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Wie wir die Arbeit von all den Menschen haben wertschätzen gelernt, die im Gesundheitswesen, bei der Polizei, der Energieversorgung oder im Handel Tag für Tag ihr Bestes gegeben haben.

Wer weiß… vielleicht war all das längst überfällig. Vielleicht braucht es keinen Krieg, keine Apokalypse oder keinen Weltuntergang, damit die Menschen umdenken. Manchmal reicht eine klitzekleine Kleinigkeit, ein Virus, das man nicht mal mit dem Auge erkennt, um die Welt aus den Angeln zu heben und ein Umdenken herbeizuführen.

Wir sitzen alle im gleichen Boot. Wir müssen alle zusammen fahren. Eine zweite Arche Noah bekommen wir nicht.

© Phil Bosmans

In diesem Sinne… Bleibt gesund und passt auf euch auf.

3 Kommentare

  1. Karin Heilig
    19. März 2020 / 7:34

    Guten Morgen liebe Kerstin,
    Du schreibst genau das, was mich auch bewegt.
    Ich habe zwar erwachsene Kinder, somit fällt das homeschooling weg, jedoch alles andere; wie geht es weiter?
    Wir schaffen das!!!! Mir ist bewusst geworden, die Krisen, die man schon geschafft hat, waren zu mindest bei mir, noch nie so lebensbedrohlich. Es ging immer wie überleben wir. Jetzt heißt es eher überleben wir? Mein Mann gehört zur Risikogrupppe, macht aber weiter wie bisher. Klar unser Betrieb muss weitergehen.
    Meine Eltern machen auch weiter, lassen sich nicht “ einsperren“. So was tun? Bin noch etwas ratlos.
    Liebe Kerstin, ich freue mich jeden Morgen auf Dein Poste( schreibt man das so?). Er ist für mich ein guter Start in den Tag.😁
    Ich wünsche Dir schönen Tag und bleibt gesund.
    Liebe Grüße
    Karin

    • Kerstin
      Autor
      30. März 2020 / 20:09

      Liebe Karin, vielen Dank für Deine lieben Worte. Ich hoffe, dass wir alle die Nerven haben, noch ne Weile durchzuhalten. Denn ich glaube nicht, dass die ganze Sache so schnell ausgestanden ist. Aber wir schaffen das. Liebe Grüße Kerstin

  2. 25. März 2020 / 7:28

    Liebe Kerstin,

    vor fast 4 Wochen war ich noch wegen meiner HWS in der Reha, da war die Welt so „quasi“ noch in Ordnung. Corona zwar da, aber eben noch nicht mit diesen Auswirkungen.

    Ich bin froh, das wir einen großen Garten haben, am Wald wohnen und somit auch mal „raus“ können.

    Beim Einkaufen war es gestern beklemmend. Ich hatte meinen Mann aus dem Krankenhaus abgeholt. Er war dort als quasi „letzter“ Patient in der HNO Klinik wegen den seit Dezember anhaltenden Beschwerden an den Stimmbändern operiert worden. Es war komisch ihn morgens ins Krankenhaus zu bringen und einfach zu fahren und am nächsten Tag ihn dann wie eine Fracht am Eingang abzuholen. Beim anschließenden kurzeinkauf, waren dann Schilder an den Regalen. Bitte pro Familie 1 x dies 2 x das. hääää, was soll das. Liebe Menschen wir brauchen keine Hamstereinkäufe. Ein Tag vorher hatte ich gesehen, das die Menschen, Massenweise Tiefkühlpizza eingekauft hatten. Die Pizzahersteller können sich jetzt freuen.

    Mir macht das langsam Angst. Ich kaufe für uns. Also meinen Mann und unsere Schwiegermutter, die mit im Haus lebt ein, das was wir brauchen. So langsam zweifel ich aber, weil ich aber. Weil ich öfters einkaufen gehen muss, weil immer wieder etwas in den Regalen leergekauft wurde und da spreche ich nicht von Toilettenpapier, Nudeln oder Hefe ( die es nicht mehr zu kaufen gibt).

    Am meisten Angst macht mir aber unsere Wirtschaft. Wenn meine Firma zumacht. Wie geht es mit den Geld weiter. Jeder hat da ja seine monatlichen Verpflichtungen. Ein Haus wurde ja nicht mit Luft und Liebe gebaut. 🙂

    Wenn ich abends ins Bette gehe, dann laufen mir die Tränen genau so wie bei Dir. ….und ich der Optimist kann langsam nicht mehr. Meine Oma hatte immer gesagt, Elke wenn Du Gesund bist und Arbeit hast, dann regelt sich alles von alleine. Tja, jetzt mangelt es gerade an der Arbeit. – Wie bei Dir mit den Kooperationen. Das macht mir am meisten Angst.

    Danke für diesen tollen Artikel.

    Liebe Grüße
    Elke von elkeworks.de

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